Fiebertherapie -

»Aschenputtel« in der Krebsbehandlung?

von Dr. med. Einar Göhring

erschienen in "Natürlich und Gesund" Nr. 5/6, 1985, Seite 360

Der Autor dieses Artikels hat als enger Mitarbeiter des berühmten Krebsspezialisten Dr. Issels überzeugende Eindrücke von derAnwendung der Fiebertherapie empfangen. Als Chefarzt der Äskulap-Klinik in Bad Rappenau führte er deshalb diese vielversprechende Behandlungsweise in sein biologisches Therapiekonzept ein.
So verfügt Dr. Göhring inzwischen über einen einzigartigen Erfahrungsschatz auf diesem Gebiet (Überwachung von ca. 7000
1) Fieberstößen), mit insgesamt guten bis sehr guten Resultaten bei Krebs, jedoch auch bei chronischen Leiden wie Colitis ulcerosa und rheumatischen Erkrankungen - und neuerdings auch bei der gefürchteten Infektionskrankheit AIDS.

Überprüft man die Literatur zur klinischen Anwendung der Fiebertherapie bei Krebser krankungen und chronischen Krankheitsbildern und hat dabei ähnliche positive Erfahrungen gemacht, so fragt man sich verwundert, weshalb diese natürliche, effektive und wenig belastende Methode aus dem Schatz der Erfahrungsheilkunde heutzutage so wenig eingesetzt wird.

Allenthalben wird zwar intensiv geforscht, heraus kommen jedoch letztlich nur minimale Verbesserungen der konventionellen Therapiemethoden (Operation, Bestrahlung, Chemo- und Hormontherapie).

Dieser Umstand erscheint zunächst erstaunlich, wird jedoch sofort klarer, wenn man analysiert, wer die heutigen Strategien der Krebsbehandlung beherrscht: Eine natürliche Methode wie die Fiebertherapie kann nicht im Interesse der pharmazeutischen Industrie liegen, auch nicht der Hersteller von Bestrahlungskanonen denn eines springt bei seriösen biologischen Krebstherapien im allgemeinen, Fiebertherapie im besonderen ins Auge: sie sind preiswert, an ihnen ist nicht viel zu verdienen ...

Auf andere Vorzüge der Fiebertherapie wird noch eingegangen werden. Der Verfasser will dabei durchaus nicht einer rnonomanen Fiebertherapie das Wort reden, denn bei dem therapeutischen Stand der Krebsforschung insgesamt kann es sich keiner leisten, nur einen Therapieweg zu beschreiten. So lehnt der Verfasser es auch nicht ab, z. B. Fiebertherapie mit einer Chemotherapie zu kombinieren, wenn es notwendig erscheint. Die therapeutischen Resultate sind mindestens gleich gut, häufig sogar besser bei geringeren Nebenwirkungen.

 

Fiebertherapie oder Überwärmung?

Ein heute bereits praktizierter Seitenweg der Krebstherapie, die passive Hyperthermie (Überwärmung), erscheint mir aus mehreren Gründen nicht so erfolgversprechend wie eine physiologische Fiebertherapie:

 

Was vermag die Fiebertherapie?

Die Ansätze auf diesem Gebiet sind so erfolgversprechend, daß die Äskulap-Klinik inzwischen durch die Arbeitsgruppe »Unkonventionelle Methoden der Krebsbekämpfung« beim Gesundheitsministerium einen Forschungsauftrag in Sachen Fiebertherapie erhalten hat [Hinweis des Autors: Der Auftrag durch die Mildred-Scheel-Stiftung wurde seinerzeit nicht endgültig erteilt; es gab offensichtlich eine andere - dem Autor bekannte - Interessengruppe, die hier intervenierte; ein Mitglied saß in der zuständigen Entscheidungskommission; dieses Mitglied erreichte aber, von der erwähnten Stiftung Forschungsgelder für die passive Hyperthermie zu erhalten...]. Denn eine differenzierte Untersuchung der Körperreaktionen im Rahmen von Fieberstößen konnte aus wirtschaftlichen Gründen bisher nur auf einige wenige immunologische Beobachtungen beschränkt werden. Dennoch zeigen diese Ergebnisse, daß die aktive Fiebertherapie als klassisches Instrument einer aktiven Immuntherapie gelten kann.

Folgende Schlüsse lassen sich vorläufig ziehen:

Letztere Überlegung ist insbesondere im Zusammenhang mit der Nachbehandlung nach konventioneller Krebstherapie (Bestrahlung, Chemotherapie) von Bedeutung. Darüber hinaus kann diese Beobachtung möglicherweise im Rahmen von Präventivmaßnahmen bei der Krebsbekämpfung eine Rolle spielen. Aktive Fiebertherapie mit bakteriellen Pyrogenen in Form intravenöser Injektionen führte etwa 50 Jahre ein Schattendasein in der Medizin, nämlich in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts, bis der zunehmende Einsatz von Sulfonamiden und Antibiotika die Fiebertherapie endgültig in den Dornröschenschlaf fallen ließ.

Dies ist eigentlich erstaunlich, wenn man bedenkt, bei wieviel Krankheitsbildern aktive Fiebertherapie mit zum Teil außergewöhnlichem Erfolg eingesetzt wurde: Lues in allen Stadien, Gonorrhoe, Typhus und Paratyphus, Keuchhusten, Pneumonie, Fleckfieber, Osteornyelitis, Virusinfektionen (Poliomyelitis, Hepatitis), allergische Erkrankungen (Asthma bronchiale, Hauterkrankungen, allergischer Schnupfen), Bechterewsche Erkrankung, degenerativ-rheumatische Erkrankungen und Weichteilrheumatismus; Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn), Multiple Sklerose.

Nachdem die Behandlung von Tumoren durch Fiebertherapie vor nun bereits mehr als 100 Jahren erstmals festgehalten wurde (durch Busch, 1866, dem damit eine erfolgreiche Sarkombehandlung gelang), ist es nun mehr als an der Zeit, sich diesem Behandlungsverfahren intensiver zu widmen. Dabei dürfte es sich als unschätzbarer Vorteil erweisen, daß diese Therapieform weitgehend komplikationsfrei ist. Bei 7000 Fieberstößen hat der Verfasser noch keine einzige schwerwiegende »Nebenwirkung« erlebt - wobei natürlich außer Frage steht, daß bei der Auswahl der Patienten für die Fiebertherapie die Herz- und Lungenfunktion sowie der Allgemeinzustand berücksichtigt werden muß.

Abschließend eine »brandaktuelle« Nachricht: Nach der Behandlung von bisher zwei fortgeschrittenen AIDS-Erkrankungen zeichnet sich ab, daß die Fiebertherapie ein erfolgreiches Instrument für die Immunrestauration abgeben kann.


1)Insgesamt führte der Autor während seiner klinischen Tätigkeit ca. 18.000 Fieberstöße durch, davon 16.000 in der ÄSKULAP-Klinik Bad Rappenau und 2.000 in der ASKLEPIOS-Tagesklinik in Frankfurt/M.


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